Wie ticken Jugendliche politisch in der Schweiz?

Gerade den Jugendlichen in der Schweiz wird oftmals nachgesagt, sie wären nicht an Politik interessiert und würden sich kaum politisch beteiligen. Was aber sagen Studien zu diesen Aussagen? In diesem Blogbeitrag widmen wir uns den Fragen, wie Jugendliche und junge Erwachsene politisch ticken und wie sie zur Politik stehen. Allgemein kann gesagt werden, dass Jugendliche nicht per se politikverdrossen sind und dass ein Potenzial für mehr politische Beteiligung der Jugendlichen durchaus vorhanden ist. 

Die Ergebnisse stammen aus der Erhebung des easyvote-Politikmonitors von 2017. Die Studie wird seit 2014 jährlich von der gfs.bern im Auftrag des DSJ durchgeführt. Die Publikationen des easyvote-Politikmonitors sind hier ersichtich. Dabei wurden Personen aus ganzen Schulklassen der Sek-II-Stufe aller Bildungsrichtungen befragt. Die Schulen wurden gemäss der Einwohnerzahl der Kantone ausgewählt. Danach wurden die befragten  Schulen zufällig pro Kanton gezogen und die Ergebnisse in einem fünfstufigen Verfahren gewichtet. Damit konnte eine hohe Representativität der Ergebnisse gesichert werden.

Potential zur politischen Mitwirkung bei Jugendlichen vorhanden

Knapp die Hälfte (46%) der 15- bis 25-jährigen ist eher oder sehr an der Schweizer Politik interessiert und ein ähnlich hoher Anteil von 43% gibt an, mindestens teilweise politisch engagiert zu sein. Diese Werte sind im Vergleich zu den Vorjahren leicht rückläufig. Die Befunde deuten aber immer noch darauf hin, dass die Jugendlichen alles andere als apolitisch sind. Dass Potential für mehr politische Partizipation vorhanden ist, zeigt sich nicht zuletzt auch darin, dass knapp die Hälfte (44%) der Jugendlichen auf Bundesebene in der Schweiz mehr mitbestimmen möchten. Etwa ein Drittel (28%) würde sich gerne vermehrt im eigenen Kanton beteiligen und ein Viertel (25%) wünscht sich mehr Mitbestimmung in der eigenen Gemeinde.

Wie stehen Jugendliche im Allgemeinen zur Politik

Die Wichtigkeit der Gemeinde für die politische Mitwirkung, zeigt sich auch darin, dass etwas mehr als ein Viertel (27%) der Jugendlichen der Meinung ist, jeder solle sich einmal im Leben in seiner Gemeinde durch die Übernahme eines Amtes engagieren, sei dies in der Schulkommission oder im Gemeindevorstand. Ein noch grösserer Anteil, also fast die Hälfte (48%) der 15 bis 25-Jährigen findet sogar, dass die Politik auf lokaler Ebene (Gemeinde / Stadt) den jungen Erwachsenen die beste Möglichkeit biete, um ihre Interessen einzubringen und etwas zu bewirken. Weiter ist sich eine grosse Mehrheit (76%) dieser Altersgruppe einig, dass die Politik generell einen grossen Nutzen für die Zukunft der Schweiz hat. Dabei sehen viele (66%) insbesondere auch die Digitalisierung als Chance für die politische Beteiligung der BürgerInnen. 

Daneben findet etwa die Hälfte (51%) der 15 bis 25-Jährigen, dass Jugendliche, welche sich freiwillig in der Politik engagieren, bei ihnen ein hohes Ansehen haben. Dass sich Influencer in den sozialen Medien zu politischen Themen äussern sollen, stimmen 39% der Jugendlichen zu. Für etwas weniger als die Hälfte (43%) der Jugendlichen haben PolitikerInnen ein gutes Image. Auffallend ist zudem auch, dass ein nicht zu vernachlässigender Anteil, etwa ein Fünftel, der Jugendlichen keine Haltung zu den verschiedenen Aussagen haben.

Jugendliche wissen nicht wohin sie politisch gehören

Dass ein Teil der Jugendlichen keine Antworten zu politischen Themen geben will oder kann, wurde schon bei den Haltungsfragen deutlich. Ungefähr 20% hatten keine Meinung zu den verschiedenen Aussagen. Noch mehr Jugendliche wissen bei der ideologisch Positionierung nicht, wo sie sich im politischen zweidimensionalen Raum verorten. Für eine Mehrheit der 15- bis 25-Jährigen haben zwar die links/rechts und die konservative/liberale Dimension des ideologischen Spektrums eine Bedeutung. So geben zwei Drittel (67%) der Jugendlichen an, dass für sie die links/rechts Achse eine Bedeutung hat. Für etwas weniger, aber immer noch mehr als die Hälfte (53%) dieser Altersgruppe hat die liberale/konservative Dimension eine Bedeutung. Allerdings deckt sich dies nicht ganz mit den Befunden zur eigenen ideologischen Positionierung. Nur 39% der befragten Jugendlichen können sich auf beiden Dimensionen positionieren, dazu jeweils je 2% auf nur einer der beiden Achsen.

Die 4 grossen politischen Gruppen 

Für diejenigen, die sich politisch zu verorten vermögen, kristallisieren sich vier grosse Gruppen heraus. Ins Auge sticht insbesondere die starke Mitte, aber auch die Polgruppen an der liberalen und an der rechten Achse, wenn auch deutlich weniger ausgeprägt. Auf der linken Seite positionieren sich fast alle Jugendliche im liberalen Feld. Auf der rechten Seite ist die Positionierung eher eingemittet bzw. sowohl im liberalen als auch im konservativen Feld zu finden. Interessant ist dabei vor allem auch, dass je weiter rechts auf der links/rechts Achse, desto grösser werden die Unterschiede zwischen den liberal und konservativ Gesinnten. 

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Wie werden die Jugendlichen politisch mobilisiert?

Die politische Mobilisierung ist für die tatsächliche politische Beteiligung entscheidend. Das Interesse und weitere Faktoren spielen dabei eine wichtige Rolle. Die Mobilisierung wird jedoch auch von verschiedensten politischen und gesellschaftlichen Ereignissen sowie vom sozialen Umfeld beeinflusst. 20% der 15- bis 25-Jährigen an, dass es in ihrem Leben ein bestimmtes Ereignis gab, welches sie politisch geprägt hat. Zentral erscheinen insbesondere politische Akteure und Wahlen. Dabei haben im Speziellen die Wahl von Donald Trump und diejenige des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Barak Obama ein Grossteil der befragten Jugendlichen politisert. Aber auch Themen wie Migration, Flüchtlinge und Altersvorsorge, welche medial viel Beachtung erhielten, haben einen  Einfluss auf die Politisierung der Jugendlichen. Demgegenüber gaben 51% der Jugendlichen an, sie wären in ihrem Leben durch kein politisches Ereignis geprägt worden und 29% dieser Altersgruppe wissen es nicht oder können keine Antwort auf die Frage geben.

Doch nicht nur prominente Politiker und aktuelle politische Themen, sondern vor allem Personen im sozialen Umfeld der Jugendlichen wirken mobilisierend und motivieren die 15- bis 25-Jährigen für politische Aktivitäten. Fast die Hälfte (45%) der befragten Jugendlichen gibt an, dass es die Eltern sind, welche sie für die letzte politische Aktivität mobilisiert haben oder sie für eine zukünftige politische Aktivität mobilisieren könnten. An zweiter Stelle folgen mit 25% LehrerInnen sowie FreundInnen und SchulkollegInnen. Weniger zentral scheinen jedoch bekannte Personen aus Kultur und Sport sowie Influencer zu sein. Einen noch geringeren Einfluss haben (junge) PolitikerInnen auf die Mobilsierung der Jugendlichen. Zudem wurden fast ein Fünftel (17%) der Jugendlichen noch nie von jemandem mobilisiert.

Wie informieren sich Jugendliche wenn es um Politik geht und wem vertrauen sie dabei?

Nicht nur bei der Mobilisierung, sondern auch wenn es darum geht, sich über die politischen Geschehnisse zu informieren, so stellen die Schule und die Eltern die wichtigste Informationsquelle dar. Fast ein Viertel (24%) nutzte das Fernsehen für die Informationsbeschaffung betreffend  Abstimmungen. Weiter informierten sich 19% der Jugendlichen über die offiziellen Unterlagen des Bundes oder des Kantons wie das Abstimmungsbüchlein und ein etwas geringerer Anteil sammelten ihre Informationen über das Radio oder gedruckte Gratis- und Tageszeitungen.

Wo sich die Jugendlichen informieren, ist meistens auch mit dem Vertrauen verknüpft. Folglich ist nicht überraschend, dass jeweils mehr als die Hälfte der Jugendlichen ein sehr oder eher hohes Vertrauen in den Bundesrat, die öffentlichen Verwaltungen, das nationale Parlament (National- und Ständerrat) und die Regierung im eigenen Kanton haben. Aber auch Organisationen wie der WWF, Amnesty International oder die Auns geniessen ein sehr oder eher hohes Vertrauen von Seiten der Jugendlichen. PolitikerInnen im Allgemeinen, wie auch Jungparteien, Jugendparlamente und Abstimmungskomitees erzielen bei den Jugendlichen ein mittleres Vertrauen. Etwas weniger als die Hälfte der Jugendlichen vertraut dieser Gruppe nicht, wenn es um politische Themen geht. Immerhin etwas mehr als ein Drittel (38%) dieser Altersgruppe vertrauen den Parteipräsidenten. Demgegenüber haben über 60 Prozent ein eher oder sehr tiefes Vertrauen in JournalistInnen. Ausserdem kann ungefähr ein Viertel keine Antwort darauf geben, wie stark sie den verschiedenen Akteuren vertrauen.