Rechtliche Grundlagen der politischen Partizipation von Jugendlichen in der Schweiz

Die rechtlichen Grundlagen für die politische Partizipation sind in der Schweiz von Kanton zu Kanton sehr unterschiedlich. Der Bund gibt nur sehr wenige Bestimmungen vor, da die gesamte Jugendpolitik im Kompetenzbereich der Kantone liegt. Dabei lässt sich feststellen, dass es auch grosse Unterschiede zwischen den rechtlichen Grundlagen und der tatsächlichen Umsetzung gibt.

 

Jonas Hirschi, Mai 2018

Für die politische Partizipation von Jugendlichen sind vor allem drei Arten von Gesetzen und Rechten von Interesse:

  1. Partizipationsförderungsgesetze 
  2. Politische Rechte 
  3. Spezifische Mitwirkungs- und Partizipationsrechte für Jugendliche

Dabei wird bei den Partizipationsförderungsgesetzen die Unterstützung von privaten oder öffentlich-rechtlichen Trägerschaften, die Partizipationsformen selber anbieten oder diese fördern, geregelt (zum Beispiel das Kinder- und Jugendförderungsgesetz KJFG des Bundes). Bei den politischen Rechten geht es um den Zugang zum formalen politischen System, also um das Stimm- und Wahlrecht oder die Möglichkeit Initiativen und Referenden zu unterschreiben. Bei den spezifischen Mitwirkungs- und Partizipationsrechten für Jugendliche werden alternative Beteiligungsformen geregelt, wie zum Beispiel eine Jugendmotion oder die öffentlich-rechtliche Anerkennung eines Jugendrats oder Jugendparlamentes. 

Auf allen föderalen Ebenen finden sich gesetzliche Grundlagen zu diesen drei Teilbereichen. Grundsätzlich sind aber vor allem der Bund und die Kantone für die Partizipationsförderungsgesetze und für die politischen Rechte zuständig sowie Kantone und Gemeinden gemeinsam für spezifische Mitwirkungs- und Partizipationsrechte.
 

Förderung der politischen Partizipation von Jugendlichen 

Bereits in den Jahren 2000 und 2001 forderten die damaligen SP-Nationalratsmitglieder Claude Janiak und Ursula Wyss eine nationale Kinder- und Jugendpolitik sowie eine bessere politische Beteiligung von Jugendlichen. 2007 wurde die überparteiliche Motion von CVP-Nationalrätin Viola Amherd überwiesen, die ein Bundesgesetz über die Kinder- und Jugendförderung forderte. Diese Vorstösse wurden 2013 mit dem neuen Kinder- und Jugendförderungsgesetz KJFG umgesetzt.

Im Zweckartikel des KJFG (Artikel 2) ist unter anderem festgesetzt, dass Kinder und Jugendliche sich politisch integrieren können sollen. Neu wurde im Vergleich zum Vorgängergesetz die Förderung der politischen Partizipation auf nationaler Ebene mit einem eigenen Artikel (Artikel 10) im Gesetz aufgenommen. Im Gesetz wird die finanzielle Unterstützung der ausserschulischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen von privaten Trägerschaften sowie der Kantone und Gemeinden geregelt. Auch der regelmässigen Aktivitäten und die Strukturen des DSJ werden auf der Grundlage des KJFG subventioniert. 

Auch einige Kantone kennen verfassungsrechtliche oder gesetzliche Grundlagen zur Förderung der politischen Partizipation. So steht in Artikel 137 der Verfassung des Kanton Freiburgs, dass Organisationen der zivilen Gesellschaft unterstützt werden können – insbesondere, wenn sie das staatsbürgerliche Bewusstsein der Jugendlichen fördern oder im Gesetz über die Unterstützung der Aktivitäten der Jugendlichen im Kanton Waadt wird in Artikel 15 auch eine finanzielle Unterstützung für Organisationen in Aussicht gestellt, welche partizipativ Jugendliche einbeziehen.
 

Politische Rechte

Die politischen Rechte regeln den Zugang zum formalen politischen System rund um die Wahlen und Abstimmungen. In der Schweiz erhalten auf Bundesebene alle Schweizer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger mit der Vollendung des 18. Lebensjahres das Stimmrecht, das aktive und passive Wahlrecht und das Recht Referenden und Initiativen zu lancieren und zu unterzeichnen. Die Kantone dürfen aber von dieser Regelung abweichen: So gibt es beispielsweise im Kanton Glarus für kantonale und kommunale Angelegenheiten das Stimmrechtsalter 16 oder im Kanton Neuenburg ein Stimm- und Wahlrecht auch für Ausländerinnen und Ausländer. Die politischen Rechte sind nicht auf die spezifischen Partizipationsbedürfnisse der Jugendlichen ausgerichtet.
 

Partizipations- und Mitwirkungsrechte

Durch die Partizipations- und Mitwirkungsrechte können spezifische auf die Jugendliche bezogene Rechte rechtlich verankert werden. Über solche rechtlichen Grundlagen verfügen zurzeit einige Kantone sowie etliche Gemeinden. Beispiele dafür sind die Rechte eines Jugendrats, eine Jugendmotion, der Einbezug bei politischen Planungs- und Entscheidungsprozesse bei Themen die Jugendliche direkt betreffen. Vielfach handelt es sich nicht um konkrete Mitwirkungsrechte, sondern um einen gesetzlichen Auftrag an den Kanton selber oder an die Gemeinden die Mitwirkung von Jugendlichen zu ermöglichen. So steht zum Beispiel in der Verfassung des Kantons Zürich in Artikel 39:

Kanton, Gemeinden und politische Parteien tragen zur Vorbereitung der Jugendlichen auf die Mitwirkung und Mitverantwortung in Staat und Gesellschaft bei.

Im Kanton Zürich ist zudem in Artikel 37 des Gemeindegesetzes geregelt, dass Gemeinden Kinder- und Jugendparlamente einrichten können, welche über spezielle Mitwirkungsbefugnisse verfügen. Die rechtliche Grundlage des kantonalen Jugendparlaments sind im Kanton Zürich in einer entsprechenden Verordnung geregelt. Das Beispiel des Kantons Zürich zeigt, dass die rechtlichen Grundlagen für die politische Partizipation in verschiedenen rechtlichen Bereichen geregelt werden können.

Bei den rechtlichen Grundlagen ist jedoch festzuhalten, dass es gerade auf kantonaler Ebene teilweise eine grosse Diskrepanz zwischen Vorgaben der Verfassung, Gesetz und Umsetzung gibt. Steht ein Auftrag in der Verfassung, ist dieser nicht direkt umsetzbar und auch nicht einforderbar. Also muss die verfassungsmässige Leitplanke zunächst gesetzlich konkretisiert werden. Ein gutes „Jugendgesetz“ bedeutet demnach nicht automatisch eine gute Förderung der politischen Partizipation von Jugendlichen. Dennoch ist es wichtig, dass auch in rechtlicher Hinsicht die Rahmenbedingungen stimmen, damit eine Grundlage für die Umsetzung gegeben ist. 

Als besonders vorbildlich kann beispielsweise das Kinder- und Jugendförderungsgesetz im Kanton Obwalden eingestuft werden. In Artikel 16 steht dort: 

Kinder und Jugendliche sind in der Kinder- und Jugendförderung zu Beteiligten zu machen. Der Kanton und die Gemeinden fördern die Mitwirkungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen bei Prozessen und Entscheiden, von welchen sie betroffen sind.

Gerade im Vergleich zu anderen Kantonen fällt auf, dass Obwalden hier auf eine «kann»-Formulierung verzichtet und genau vorgibt, was zu tun ist. Dennoch gibt es im Kanton Obwalden weder ein kantonales Jugendparlament noch sonstige spezielle Angebote für die politische Partizipation von Jugendlichen auf kantonaler Ebene. 

Gerade gegensätzlich ist die Situation im Kanton St. Gallen – in der gesamten Gesetzgebung des Kantons fällt das Wort «Jugend» praktisch nur im Zusammenhang mit dem Jugendstrafrecht, Jugendheimen und jugendpsychiatrischen Zentren. Doch der Kanton verfügt über ein aktives kantonales Jugendparlament, über einen Kinder- und Jugendkredit und über eine Strategie für die Kinder- und Jugendpolitik, obwohl eine starke rechtliche Grundlage dazu fehlt. 

Noch viel ausgeprägter sind natürlich die Unterschiede zwischen den Gemeinden. Hier reicht die Bandbreite von gar keinen Bestimmungen zur Jugend bis hin zu verbindlichen politischen Rechte für öffentlich-rechtlich anerkannte Jugendparlamente oder Jugendmotionen. Bei Jugendmotionen handelt es sich um ein Mitwirkungsrecht und nicht um ein politisches Recht. (Zum Vergleich die Beschwerde gegen das Partizipationsreglement der Stadt Bern).
 

Engagement des DSJ

Der DSJ hat für seine Arbeit zahlreiche kantonale und kommunale Gesetzgebungen analysiert und setzt sich für bessere rechtliche Rahmenbedingungen für die politische Partizipation von Jugendlichen ein. Deshalb berät der DSJ zuständige Verwaltungen und interessierte Politikerinnen und Politiker auf allen föderalen Ebenen, die sich für eine verbesserte politische Partizipation von Jugendlichen engagieren möchten. Der DSJ wird im Laufe des Jahres die rechtlichen Grundlagen, welche einen Bezug zur politischen Partizipation von Jugendlichen aufweisen, online stellen.