Die 5 Partizipationstypen

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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Jugendlichen unterteilen sich hinsichtlich ihrer politischen Aktivität in fünf Partizipationstypen.
  • Es findet eine potentielle Verschiebung der politischen Partizipation in die digitale Welt statt.
  • Frauen partizipieren lieber konventionell und Männer lieber unkonventionell.
  • Fast ein Drittel der Befragten, die sich nicht politisch verorten können, gehören zur Gruppe der Unkonventionellen.
  • Mehr als ein Viertel der Befragten, die sich politisch verorten können, gehören zur Gruppe der Digitalen.
  • Deutlich mehr Apolitische kommen aus dem rechten Spektrum.
  • Es bestehen grosse Unterschiede zwischen den Sprachregionen im Hinblick auf die Partizipationsform.
  • GymnasiastInnen partizipieren häufiger in der digitalen Welt, während BerufsschülerInnen eher analog und unkonventionell mitwirken.

 

Tanja Burri, September 2018

Auf der Suche nach Antwortmustern der befragten Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren zu den Formen ihrer politischen Aktivitäten lassen sich fünf Partizipationstypen identifizieren: die Engagierten, die Konventionellen, die digitalen (AktivistInnen), die (analogen) Unkonventionellen und die Apolitischen.

Mit einem Anteil von 24% machen die (analogen) Unkonventionellen die grösste Gruppe aus. Sie sind gegenüber der Onlinepartizipation misstrauisch eingestellt. So unterzeichnen sie Petitionen nur von Hand und nicht im Internet. Sie kommentieren auch nicht auf Newsportalen und treten keinen Gruppen auf Social Media bei. Diese Gruppe bewahrt allerdings auch eine gewisse Distanz zu den traditionellen Partizipationsmöglichkeiten. Sie sind überdurchschnittlich oft bereit, an Demonstrationen teilzunehmen und Interessengruppen beizutreten. An Aktivitäten, die sich stark an etablierten systemischen Strukturen wie Parlamenten oder Parteien orientieren, wollen sie sich dagegen klar nicht beteiligen.

Die (digitalen) AktivistInnen machen die zweitgrösste Gruppe aus (22%). Dazu gehören Jugendliche, die zwar ab und zu wählen und abstimmen, aber mehrheitlich über das Internet partizipieren: Sie unterzeichnen Petitionen lieber online als auf der Strasse, nehmen im Vergleich zu anderen Gruppen eher an Aktionen auf Social Media teil, treten dort politischen Gruppen bei und diskutieren mit ihrem Umfeld vielfach über WhatsApp, Facebook, Twitter und Co.

Darauf folgt mit 19% die Gruppe der klassischen Apolitischen. Zu dieser gehören Jugendliche und junge Erwachsene, die bei allen abgefragten Aktivitäten angeben, sich nicht politisch zu beteiligen und dies auch in Zukunft nicht vorhaben.

Zur nächsten grossen Kategorie gehören mit 18% die Konventionellen. Darunter fallen Jugendliche, welche ab und zu ein Referendum oder eine Petition unterschreiben, mit ihren Freunden oder Verwandten diskutieren und gelegentlich wählen und/oder abstimmen gehen.

Zur kleinsten Gruppe gehören mit 17% die Engagierten . Unter diese Kategorie fallen Jugendliche, welche generell politisch aktiv sind, sich regelmässig an konventionellen Aktivitäten wie Wahlen und Abstimmungen beteiligen, mit Freunden diskutieren und auch einem Engagement in Interessengruppen, Jugendparlamenten, Jungparteien oder dem Bekleiden politischer Ämter nicht abgeneigt sind.
 

Hin zu mehr digitaler Partizipation

Die Gruppe der Engagierten ist mit 17% gleich gross geblieben wie im Jahr 2016. Die Konventionellen haben jedoch anteilsmässig um 6 Prozentpunkte abgenommen (2016: 24%, 2017: 18%) und auch die Zahl der Apolitischen ist im Vergleich zum Vorjahr leicht rückläufig (2016: 25%, 2017: 19%). Demgegenüber ist die Gruppe der Unkonventionellen im Vergleich zu 2016 um 2% gewachsen (2016: 22%, 2017: 24%). Am stärksten zugenommen haben jedoch die Digitalen mit 10 Prozentpunkten mehr im Vergleich zum Vorjahr (2016: 12%, 2017: 22%). Über alle Partizipationstypen hinweg gesehen, lässt sich also eine potentielle Verschiebung der politischen Partizipation in die digitale Welt beobachten. Ob sich diese Unterschiede noch verstärken werden und sich somit ein Trend in die digitale Richtung abzeichnet, wird die Zukunft zeigen.
 

Frauen partizipieren eher konventionell, Männer eher unkonventionell

Eine Untersuchung zur Zusammensetzung der Partizipationstypen weist Unterschiede im Hinblick auf das Geschlecht auf. Die grössten Geschlechterunterschiede zeigen sich bei den Unkonventionellen und den Konventionellen. Während fast doppelt so viele Männer (27%) wie Frauen (17%) zur Gruppe der Unkonventionellen gehören, so sind es fast doppelt so viele Frauen (22%) wie Männer (12%) bei den Konventionellen. Dies impliziert, dass Frauen häufiger an konventionellen Aktivitäten teilnehmen und umgekehrt Männer eher dazu bereit sind, sich beispielsweise an Demonstrationen zu beteiligen. Bei allen anderen Partizipationstypen sind die Geschlechterverhältnisse annähernd gleich gross; so auch bei den Digitalen. Während 22% der Männer in der digitalen Welt partizipieren, so sind dies bei den Frauen 21%. Bild 2
 

Mehr Apolitische aus dem rechten Spektrum

Wie beim Geschlecht zeigen sich – wenn auch etwas kleinere – Unterschiede der Partizipationstypen im Hinblick auf die eigene politische Selbsteinschätzung auf der Links-rechts-Achse. Der grösste Unterschied zwischen links und rechts zeigt sich bei den Apolitischen. Während bei diesem Partizipationstyp 15% angeben, sich eher links einzuordnen, so sind es mehr als ein Drittel (36%), die sich eher rechts positionieren. Weiter sind es bei den Engagierten und den Konventionellen leicht mehr linksgesinnte Jugendliche (36% bzw. 24%) als solche aus dem rechten Spektrum (34% bzw. 22%). Demgegenüber ist bei den Digitalen und den Unkonventionellen der Anteil der Jugendlichen, der sich politisch rechts verortet (35% bzw. 31%) deutlich grösser als derjenige der Befragten aus dem linken Lager (23% bzw. 19%). Im Vergleich zu den anderen Partizipationstypen sind bei den Konventionellen zudem am meisten Befragte, die sich in der Mitte des politischen Spektrums verorten. Allerdings ist bei der Interpretation der Ergebnisse Vorsicht geboten, da der Anteil derjenigen, die sich nicht auf der Links-rechts-Achse positionieren kann, mit rund 43% sehr hoch ist. Die grössten Unterschiede zwischen den Befragten, die sich auf der Links-rechts-Achse verorten können, und denjenigen die sich nicht politisch einordnen können, zeigt sich bei den Digitalen und den Unkonventionellen. Deutlich mehr Befragte, die sich verorten können (27%), als solche, die sich nicht positionieren können (14%), gehören zu den Digitalen. Das umgekehrte Bild zeigt sich bei den Unkonventionellen. Während lediglich 17% derjenigen, die sich politisch einordnen können, zu den Unkonventionellen gehören, so sind es 30% jener, die sich nicht auf der Links-rechts-Achse verorten können. Bei den Apolitischen hingegen ist das Verhältnis mit 20% (können sich verorten) zu 22% (können sich nicht verorten) sehr ausgeglichen.

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Grosse Unterschiede zwischen den Sprachregionen

Neben unterschiedlichen Verhältnissen beim Geschlecht und der eigenen politischen Selbsteinschätzung auf der Links-rechts-Achse zeigt sich zudem, dass die Partizipationstypen in den drei Sprachregionen anders verteilt sind. Auf den ersten Blick fällt auf, dass der Anteil an Apolitischen (De: 21%, Fr: 17%, It: 32%) und Engagierten (De: 15%, Fr: 22%, It: 30%) in der italienischen Schweiz im Vergleich zu den anderen beiden Sprachregionen mit Abstand am grössten ist. Demgegenüber sind es in der Deutschschweiz deutlich mehr Digitale (De: 25%, Fr: 19%, It: 9%) als in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz. Weiter gibt es in der Deutschschweiz und der französischsprachigen Schweiz ähnlich viele Unkonventionelle (De: 23%, Fr: 24%, It: 13%). Zugleich ist dieser Anteil in der italienischsprachigen Schweiz am kleinsten. Die geringsten Unterschiede zwischen den drei Sprachregionen sind bei den Konventionellen zu finden (De: 16%, Fr: 18%, It: 16%).

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GymnasiastInnen beteiligen sich anders als BerufsschülerInnen

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Eine weitere Analysemöglichkeit besteht darin, die Partizipationstypen nach demografischen Merkmalen zu betrachten. Dabei zeigt sich, dass sich GymnasiastInnen an der Politik anders beteiligen als BerufsschülerInnen. Die deskriptiven Auswertungen machen deutlich, dass es mehr Engagierte und Digitale bei den GymnasiastInnen (28% bzw. 22%) als bei den BerufsschülerInnen (19% bzw. 17%) gibt. Demgegenüber ist der Anteil an Unkonventionellen bei den BerufsschülerInnen (25%) grösser als bei den GymnasiastInnen (16%). Dies impliziert, dass BerufsschülerInnen im Hinblick auf die politische Partizipation digital weniger affin und der onlinebasierten Partizipation gegenüber eher misstrauisch eingestellt sind. Bei den GymnasiastInnen zeigt sich ein umgekehrtes Bild. Mehr als ein Viertel dieser Gruppe partizipiert in der digitalen Welt. Weiter sind die Anteile an Konventionellen und Apolitischen bei beiden untersuchten Gruppen fast gleich gross. Die These, dass BerufsschülerInnen weniger politisch als GymnasiastInnen sind, kann folglich nicht gestützt werden. Vielmehr partizipieren BerufsschülerInnen teilweise anders.


* Die Studie wird seit 2014 jährlich von gfs.bern im Auftrag des DSJ durchgeführt. Die Publikationen des easyvote-Politikmonitors sind hier ersichtlich. Im Rahmen des easyvote-Politikmonitors 2017 wurden insgesamt 1'271 Personen (15- bis 25-Jährige) aus ganzen Schulklassen der Sek-II-Stufe verschiedenster Bildungsrichtungen befragt. Die Schulen wurden gemäss der Einwohnerzahl der Kantone ausgewählt. Danach wurden die befragten Schulen pro Kanton zufällig bestimmt und die Ergebnisse in einem fünfstufigen Verfahren gewichtet. Damit konnte eine hohe Repräsentativität der Ergebnisse gesichert werden.

Im Rahmen des easyvote-Politikmonitors 2017 wurde anhand einer Clusteranalyse nach Mustern in den Antworten der Befragten zu den unterschiedlichen Formen politischer Aktivitäten gesucht. Dabei liessen sich fünf verschiedene Partizipationstypen von Jugendlichen identifizieren. Sie basieren auf der Selbsteinschätzung der Befragten im Hinblick auf ihre eigene politische Partizipationsbereitschaft.