In der Schweiz können Personen ab 18 Jahren abstimmen und wählen. Wichtig zu erwähnen ist der Unterschied zwischen aktivem und passivem Wahlrecht. Aktiv bedeutet, dass an einer Wahl oder Abstimmung teilgenommen werden kann. Beim passiven Wahlrecht hingegen geht es darum, sich selbst in ein Gremium (z.B. in ein Parlament) wählen zu lassen.
Seit einiger Zeit kommt immer wieder das Anliegen auf, das Stimm- und Wahlrechtsalter auf 16 Jahre hinabzusetzen. Neben verschiedensten Vorstössen auf kantonaler Ebene wurde 2019 auch ein entsprechender Vorstoss auf nationaler Ebene eingereicht. Seither wird das Thema breit diskutiert. Bei den meisten bisherigen Vorlagen zum Stimmrechtsalter 16 ging es vor allem um das aktive Stimmrecht der Jugendlichen.
Die Schweiz ist föderalistisch organisiert, dass heisst der Bund, die Kantone und die Gemeinden teilen sich die Verantwortung und Umsetzung der öffentlichen Aufgaben. Entscheide werden je nach Zuständigkeit auf nationaler, kantonaler oder kommunaler Ebene gefällt. Stimmberechtigte können also auf unterschiedlichen Ebenen Einfluss nehmen. Ebenso gibt es jeweils kommunale, kantonale, wie auch nationale Wahlen. Die Autonomie der Kantone macht es möglich, dass sich das Stimmrechtsalter auf nationaler Ebene von jenem auf kantonaler Ebene unterscheiden kann. Die Diskussion des Stimmrechtsalters wird deshalb nicht nur national geführt, sondern ist auch in verschiedenen Kantonen ein aktuelles Thema.
Das Stimm- und Wahlrecht hat eine lange Geschichte in der Schweiz. Einschränkungen des Stimm- und Wahlrechts kennt jede Demokratie. Die Einschränkungen verändern sich aber über Zeit und passen sich z.B. gesellschaftlichen Entwicklungen an. So gab es bis 1971 Einschränkungen aufgrund des Geschlechts. Bis heute gibt es Einschränkungen aufgrund der Nationalität und des Alters einer Person. Im folgenden Text liegt der Fokus auf der Einschränkung durch das Alter.
Die Nationalrätin Arslan Sibel hat 2019 das Anliegen, das aktive Stimmrechtsalter auf nationaler Ebene auf 16 Jahre zu senken, als Parlamentarische Initiative (19.415) eingebracht. Da die parlamentarische Initiative von einer Nationalrätin eingereicht wurde, ist der Nationalrat Erstrat. Er hat der Vorlage Folge gegeben. Damit wurde die parlamentarische Initiative an die zuständige Kommission des Zweitrates – die staatspolitische Kommission (SPK-S) weitergegeben. In den Kommissionnen sind Mitglieder von verschiedenen Parteien dabei. Die Kommissionen haben die Aufgabe, Geschäfte vorzubesprechen und Empfehlungen auszuarbeiten, bevor sie im National- oder Ständerat diskutiert werden. Die SPK-S hat der parlamentarische Initiative ebenfalls Folge gegeben. Die zuständige Kommission des Nationalrates – die staatspolitische Kommission (SPK-N) – hat eine Vernehmlassungsvorlage zur Verfassungsänderung ausarbeiten lassen. In ihrer Sitzung hat sie entschieden, nicht auf den Entwurf einzutreten und die Abschreibung der Vorlage zu empfehlen. Der Nationalrat hat sich anschliessend aber mit 99 zu 90 Stimmen gegen eine Abschreibung ausgesprochen und die Vorlage zurück in die Kommission gewiesen. Die SPK-N hat beschlossen den Entwurf der Verfassungsänderung in die Vernehmlassung zu schicken. Die Kantone waren sich nicht alle einige. Einige sind für die Verfassungsänderung (z.B. AR und GL) und andere Kantone stellen sich dagegen (z. B. AG und AI). Auch das Jupa Kanton Bern und der Junge Rat Basel-Stadt haben an der Vernehmlassung teilgenommen und sprechen sich für ein tieferes Stimmrechtsalter aus. Ebenso haben sich viele Verbände und Organisationen, insbesondere solche, die sich für Kinder und Jugendliche einsetzen, für die Verfassungsänderung ausgesprochen (Stellungnahmen zur Vernehmlassung). Die SPK-N hat nach der Vernehmlassung ihrem Rat empfohlen die Vorlage abzuschreiben. Der Nationalrat hat sich jedoch mit 98 zu 93 Stimmen gegen eine Abschreibung ausgesprochen und damit geht das Geschäft zurück in die Kommission. Falls der Nationalrat und der Ständerat zustimmen, wird es zur Volksabstimmung über diese Verfassungsänderung kommen.
In vielen Kantonen gab es bereits Diskussionen, Vorstösse oder Initiativen zum Stimmrechtsalter 16. Der aktuelle Stand im Überblick[1]:
Erfolgreiche Vorlagen
Der Kanton Glarus ist momentan der einzige Kanton, der das Stimmrechtsalter 16 bereits eingeführt hat. In Glarus gibt es die Landsgemeinde und somit ist die Art der Beteiligung etwas unterschiedlich zur Urnenwahl. Bei der Landsgemeinde wird nicht per Brief abgestimmt, sondern an einer Versammlung unter freiem Himmel per Handheben. Die Einführung des Stimmrechtsalter 16 wurde an der Landsgemeinde beschlossen.
Gescheiterte Vorlagen
In sechs Kantonen kam es zu Volkabstimmungen, die abgelehnt wurden,
Bereits vor einer Volksabstimmung sind die Vorlagen in den folgenden Kantonen abgelehnt worden:
Laufende Prozesse
Momentan sind keine Volksabstimmungen angesagt.
Es gibt mehrere Länder, die das Stimmrechtsalter 16 kennen. In diesen Ländern handelt es sich grösstenteils um ein Wahlrecht, da die direkte Demokratie weniger ausgeprägt ist als in der Schweiz (Vatter 2018: 361).
Wollen Jugendliche mit 16 Jahren stimmen und wählen können?
Sind Jugendliche fähig, ihre Meinung und ihre Interessen in Wahlen und Abstimmungen wiederzugeben?
Kann das Stimmrecht mit 16 die Stimm- und Wahlbeteiligung nachhaltig verbessern?
Wichtigste Pro Argumente in der politischen Diskussion
Folgende Akteur:innen sprechen sich tendenziell für das Stimmrechtsalter 16 aus:
Quellen: Internetseite 20, Internetseite 21, Internetseite 22
Wichtigste Kontra Argumente in der politischen Diskussion
Folgende Akteur:innen sprechen sich tendenziell gegen das Stimmrechtsalter 16 aus:
Quellen: Internetseite 20, Internetseite 22, Internetseite 23
[1] Die Liste wird laufend aktualisiert. Dennoch kann nicht garantiert werden, dass für alle politischen Prozesse immer der aktuelle Stand vorliegt. Wenn nicht explizit erwähnt, handelt es sich jeweils um Vorlagen, die nur das aktive Stimmrechtsalter herabsetzten wollen.
[2] Im Demokratieindex 2021 werden Kuba und Nigaragua als autoritäre Regime geführt. Ecuador wird als hybrides System definiert. (Demokratieindex 2021)