Rückblick Civic Tech-Konferenz 2020

Eröffnet wurde die Konferenz von Stefanie Bosshard, Geschäftsleiterin des Dachverbands Schweizer Jugendparlamente DSJ. Audrey Tang, Taiwans Digitalministerin, richtete im Anschluss in einer Videobotschaft ein Grusswort an die Anwesenden und gab einen Einblick in die Aktivitäten Taiwans im Bereich «Social Digital Innovation». Taiwan pflegt einen sehr transparenten Umgang mit Daten in Bezug auf die Coronakrise, basierend auf den Grundsätzen «fast, fair, fun».

Das erste Podiumsgespräch widmete sich dem Thema Civic Tech in Gemeinden. Moderiert von Hannes Gassert tauschten die Teilnehmenden sich über Praxiserfahrungen bezüglich der Zusammenarbeit mit Gemeinden aus. Es wurde klar, dass der Kontakt mit den Gemeinden sehr wichtig ist und auf Seiten der Civic Tech-Akteure auch viele Ressourcen verschlingt. Die Podiumsgäste waren sich aber einig, dass die Akquisition ein zentrales Element von Civic Tech-Projekten ist und der Aufwand deshalb normalweise gerechtfertigt ist. Die weiteren Erfolgsfaktoren hingegen sind sehr vielseitig. Angesprochen wurden beispielsweise die erfolgreiche Kommunikation bezüglich der finanziellen Anreize für Gemeinden, die zeitliche Verfügbarkeit des Gemeindepersonals, die Strukturen einer Gemeindeverwaltung oder das allgemeine Image der Politik. Ebenfalls wichtig seien klare Abmachungen, wie weit die Mitsprache gehen soll. So können sich z.B. Jugendliche darauf verlassen, dass sie während der Umsetzung eines ganzen Projekts mitbestimmen dürfen.

Auch die Digitalisierung aufgrund von Corona wurde diskutiert. Gerade digitale Dorfplätze hätten durch die Pandemie ein Empowerment erlebt. Auch in der Verwaltung wurde eine erstaunliche Dynamik festgestellt. Die Herausforderung sei nun insbesondere, das Erreichte zu etablieren. Schliesslich wurde auch über unerfüllte Wünsche im Civic Tech-Bereich gesprochen. Dabei kam beispielsweise Data Mining zur Sprache, um auch ungehörte und leise Stimmen zu hören und diese zu verstärken. Ein anderer spannender Punkt ist die geforderte digitale Transparenz im öffentlichen Raum, welche die Datensammlung sichtbarer machen will. 

Es folgten die ersten beiden Lightning Talks. Die Lightning Talks hatten zum Ziel, jungen Civic Tech-Projekten eine Plattform zu bieten und so deren Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Die erste vorgestellte Software, CrowdNewsroom, ist in Deutschland bereits operativ und basiert auf Crowd Sourcing. In einem Raum wird jeweils eine Frage aufgegriffen und gemeinsam recherchiert. Sobald die Daten gesammelt sind, findet dazu eine Debatte (meist physisch vor Ort) statt. Das Konzept soll nun auch in der Schweiz zur Anwendung kommen. Mit dem Prototype Fund Schweiz wurde ein zweites – in der Schweiz noch neues, aber in der deutschen Civic Tech-Branche bereits sehr bekanntes – Projekt vorgestellt.

Das zweite Podiumsgespräch drehte sich um die Skalierung und die Finanzierung von Civic Tech-Projekten. Bereits früh im Gespräch wurde der Trugschluss aufgedeckt, dass Open Source mit kostenlos gleichzusetzen ist. Tatsache sei jedoch, dass Entwicklungskosten so reduziert werden könnten, aber immer noch vorhanden seien. Weiter hat sich herauskristallisiert, dass ein langer Atem bei der Finanzierung entscheidend ist. Obwohl auch grössere Akteure, die ins Geschäft einsteigen, einmal selbsttragend sein müssen, können sie meist bis zum «Break Even» etwas länger durchhalten. Ebenfalls als wichtig erachtet wurde der Erfahrungsaustausch und die Vernetzung von verschiedenen Akteuren, wie dies zum Beispiel an der Civic Tech-Konferenz möglich ist. Auch Konkurrenz wirke sehr belebend und konstruktiv. Schliesslich seien aber auch die Partner bei der Umsetzung von Projekten sehr wichtig. Gerade auf Seite der Gemeinde brauche es Menschen, die sich für das Projekt einsetzen und als Fazilitatoren auftreten. Insbesondere sei hinsichtlich der EndnutzerInnen in einem letzten Schritt nochmals viel Überzeugungsarbeit und Kommunikation notwendig.

Zwei weitere Lightning Talks brachten dem Publikum die Projekte «Polit-Butler» und «Openki» näher. Während der «Polit-Butler» Abstimmungsempfehlungen basierend auf einem einmalig auszufüllenden Fragebogen und dem bisherigen Abstimmungsverhalten einer Nutzerin abgeben will, dreht sich bei «Openki» alles um das selbstbestimmte und -organisierte Lernen.

Das Schlusspanel widmete sich der Zukunft von Civic Tech und damit auch dem Potential, das verschiedene Civic Tech-Tools mitbringen. Wer hinter einem Tool steht, spielt hier offenbar eine entscheidende Rolle. Wer mit persönlichem Engagement bei der Nutzung eines Tools vorangeht, könne oft auch andere dazu motivieren, zu partizipieren. Wiederum ein Thema war die Abwägung zwischen analoger und digitaler Partizipation. Auch hier hat die Coronakrise die Wahrnehmungen eines Miteinanders geprägt und grösstenteils gefestigt. Neben den Chancen wurden auch die Risiken von Civic Tech diskutiert. Als Grundlage dafür diente der im Mai 2020 publizierte Civic Tech-Bericht des Bundesrats. So drehte sich das Gespräch beispielsweise um die Frage, ob der Staat Treiber oder Ermöglicher von Civic Tech sein muss und ob die Demokratie an Geschwindigkeit gewinnen soll.

Statements
Lightning Talks

 

13:00      Check-in                                                                                                                                                
13:30

Begrüssungen 

Stefanie Bosshard, Geschäftsleiterin Dachverband Schweizer Jugendparlamente

Audrey Tang, Digital Minister Taiwan (Videobotschaft)

13:45

Civic Tech in Gemeinden - Podiumsdiskussion mit Hannes Gassert

Jürgen Ertelt, Projektleiter jugend.beteiligen.jetzt (digital)

Joel Singh, Leiter Crossiety Schweiz

Maximilian Stern, Projektleiter Smart City Zürich

Lara Tarantolo, Bereichsleiterin easyvote

14:45

Lightning Talks- Runde 1

Prototype Fund

CrowdNewsroom

15:00Pause mit Civic Tech-Angel (digital)
15:45

Skalierung von Civic Tech - Podiumsdiskussion mit Vera Eichenauer

Nicolas Hebting, Co-Founder 2324.ch

Torben Stephan, Programmleiter "Digitalisierung + Gesellschaft", Stiftung Mercator Schweiz

Simon Strohmenger, Projektleiter CONSUL (digital)

Janos Tolcsvai, Leiter My Local Services, Post CH AG

16:45

Lightning Talks - Runde 2

Polit-Butler

Openki

17:00

Schlusspanel mit Jasmin Odermatt

Elmonda Bajraliu, Co-Präsidentin Jugendparlament Winterthur

Barbara Perriard, Leiterin Sektion Politische Rechte BK

Lena Schüpbach, Projektleitung liike

17:30Apéro mit Civic Tech-Angel (digital)

Podiumsdiskussion: Civic Tech in Gemeinden

Jürgen Ertelt arbeitet bei der Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V. (IJAB) und ist dort Projektkoordinator von «jugend.beteiligen.jetzt». Das Projekt bietet Hilfe für die Praxis digitaler Jugendbeteiligung indem die Plattform Know-how zu Prozessen und Tools bereitstellt und Qualifizierung anbietet. Konkret werden gute Beispiele gezeigt und ausgewählte Jugendbeteiligungsprojekte verlinkt.

Joel Singh ist Leiter von Crossiety Schweiz. Den digitalen Dorfplatz gibt es bald 50 Mal in der Schweiz und Deutschland. Nutzerinnen und Nutzer können sich auf der interaktiven App informieren, miteinander kommunizieren und sich engagieren. Damit sollen die lokale Vernetzung, die Partizipation sowie das Engagement im realen Leben gestärkt werden.

Maximilian Stern ist Projektleiter im Smart City Team der Stadt Zürich. Mit der 2019 verabschiedeten Smart City Strategie etabliert die Stadt Zürich mehrere Innovationsinstrumente für die Stärkung der Innovationsfähigkeit der Verwaltung sowie konkrete Projekte zur Ermöglichung partizipativer Prozesse mit der Stadtbevölkerung.

Lara Tarantolo ist Bereichsleiterin easyvote beim Dachverband Schweizer Jugendparlamente DSJ. Easyvote setzt sich zum Ziel, dass 18- bis 25-Jährige sich für Politik interessieren und genug über politische Themen und Prozesse wissen, damit sie sich nicht überfordert fühlen. Mit digitalen und analogen Instrumenten strebt das Projekt eine möglichst hohe Stimm- und Wahlbeteiligung an.

Podiumsdiskussion: Skalierung von Civic Tech

Nicolas Hebting ist Senior Project Manager bei politik.ch und Co-Founder von 2324.ch. Lokale News lesen und selbst schreiben – das war die Idee hinter dem Online-Dorfplatz und sollte in allen (damals) 2324 Gemeinden der Schweiz umgesetzt werden. Nach vier Jahre produktiver Zusammenarbeit mit mehreren Gemeinden schloss sich 2324.ch letztes Jahr Crossiety an.

Torben Stephan engagiert sich seit Jahren im Bereich der freien Software in der Schweiz, in Europa und in Asien und leitet das Programm «Digitalisierung + Gesellschaft» bei der Stiftung Mercator Schweiz. Ziel des Programms ist es, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und Gemeinwohl-orientierte Innovationen zu unterstützen.

Simon Strohmenger ist im Mehr Demokratie-Landesbüro in Bayern für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich und in dieser Funktion auch Projektverantwortlicher für CONSUL in Deutschland. CONSUL ist eine Open Software für Bürgerbeteiligung, die ursprünglich von der Stadt Madrid entwickelt wurde und heute von 130 Institutionen in 33 Ländern verwendet wird.

Janos Tolcsvai ist Leiter von My Local Services bei der Post CH AG. Das Angebot bringt die Gemeinde mittels App aufs Smartphone, wobei die Kommunikation mit den EinwohnerInnen im Zentrum steht. Die heutige Vielzahl an Kanälen soll reduziert und die Inhalte damit wieder ins Zentrum gerückt werden. Aktuell besteht eine Zusammenarbeit mit 4 Gemeinden.

Schlusspanel

Elmonda Bajraliu ist Co-Präsidentin des Jugendparlaments Winterthur. Sie kennt sich mit digitaler Partizipation dank ihrem aktiven Engagement auf engage.ch bestens aus. Ihr Anliegen aus der nationalen Kampagne «Verändere die Schweiz!» wurde 2017 bis ins Parlament getragen. Bezüglich digitaler Partizipation sagt sie: «Nutzt die Chance und bringt euch in den politischen Prozess ein. So einfach war es noch nie!“

Barbara Perriard ist Leiterin der Sektion Politische Rechte der Bundeskanzlei. Diese Sektion ist zuständig für den Vollzug der Volksrechte (eidgenössische Volksinitiativen, fakultative Referenden), die Vorbereitung der eidgenössischen Urnengänge (Abstimmungen und Gesamterneuerung des Nationalrats) sowie die Koordination der Einführung der elektronischen Stimmabgabe durch die Kantone (sog. Vote électronique).

Lena Schüpbach ist Projektmanagerin bei Liike AG. Sie hat an der Wahlkampfkampagne von Andri Silberschmid mitgearbeitet und wurde vom StrategieDialog21 bei «Charakterchöpf – Die Vielfältigkeit der Schweiz» porträtiert. Über ihre Generation sagt sie: «Die Digitalisierung wurde mit uns erwachsen und wir mit ihr.»

Nikki Böhler ist Geschäftsführerin von Opendata.ch, der Schweizer Sektion der Open Knowledge Foundation. Opendata.ch setzt sich dafür ein, dass Daten öffentlich, frei verfügbar und nutzbar gemacht werden für mehr Transparenz, Mitwirkung und Innovation. Der Verein hat ebenfalls den Prototype Fund in der Schweiz lanciert und veranstaltet die Open Data Hackdays sowie zahlreiche weitere Anlässe.

Sabine Brenner ist Leiterin der Gruppe Geschäftsstelle Digitale Schweiz (GDS) und Stv. Leiterin Stab des Bundesamts für Kommunikation BAKOM. GDS ist die Stabsstelle der Interdepartementalen Koordinationsgruppe "Digitale Schweiz", welche für die Koordination der Umsetzungsarbeiten zur Strategie "Digitale Schweiz" zuständig ist. GDS unterstützt diese in ihren Tätigkeiten und organisiert den Dialog "Digitale Schweiz" auf operativer und inhaltlicher Ebene.

Melanie Eberhart ist Bereichsleiterin engage.ch beim Dachverband Schweizer Jugendparlamente DSJ. Die Onlineplattform engage.ch bietet Jugendlichen die Möglichkeit, Anliegen und Ideen auf einfachem Weg einzubringen und so ihre Zukunft mitzugestalten. Das Projekt richtet seine Angebote nach den vier Schwerpunkten «Gemeinden», «National», «Bildung» sowie «Jugendparlamente».

Jolanthe Kugler ist Dozentin am Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Sie beschäftigt sich mit dem Potenzial digitaler Tools für eine soziale und inklusive Stadtentwicklung und insbesondere damit, wie diese Instrumente in der lokalen Wissensproduktion über einen bestimmten Ort (placemaking) eingesetzt werden können.

Rolf Rauschenbach ist Director Strategic Projects bei Procivis AG und Senior Consultant bei BCP AG. Procivis setzt sich für eine digitale Gesellschaft ein und bietet die eID+ an, die vom Kanton Schaffhausen als Grundlage für seine e-Government Dienstleistungen genutzt wird. Rolf Rauschenbach hat in Zusammenarbeit mit dem Dachverband Schweizer Jugendparlamente DSJ das Schweizer Civic Tech-Ökosystem gestaltet.

Jean-Daniel Strub ist Mitgründer und Co-Geschäftsführer von ethix – Lab für Innovationsethik und dem Büro Brauer & Strub | Medizin Ethik Politik. Zusammen mit Startups, Unternehmen und der Öffentlichkeit entwickelt ethix Instrumente, mit denen ethische Risiken der Innovation angegangen werden können. Das Büro Brauer & Strub bietet Forschungs- und Beratungsleistungen sowie Moderationen in den Bereichen Medizinethik, (Gesundheits-)Politik und Life Sciences an.

Im Rahmen des #VersusVirus-Hackathons haben wir zusammen mit einem engagierten Team die Digitale Demokratie Toolbox entwickelt. Intuitiv und schnell ist darin das passende Werkzeug für die digitale politische Partizipation zu finden. Der Prototyp ist jetzt online:

www.demokratie-toolbox.ch

Gegen 50 unterschiedliche Tools sind momentan in der Werkzeugkiste zu finden. Das sind fast 50 Möglichkeiten, um auch in der aktuellen Situation Demokratie zu leben. Die Toolbox zeigt auf, wie vielseitig und spannend digitale politische Partizipation und Bildung bereits heute in der Schweiz ist! Wir werden die Digitale Demokratie Toolbox auch im Rahmen der Civic Tech Konferenz 2020 nochmals aufgreifen und freuen uns bereits jetzt über zahlreiche Seitenaufrufe.

Civic Tech-Ökosystem

Das Ökosystem entstand in Zusammenarbeit mit Rolf Rauschenbach von Procivis AG. Anmerkungen und Ergänzungen können gerne an Simon Eggimann geschickt werden.

Civic Tech-Projektliste Prototype Fund

Der Prototype Fund führt zudem eine Vielzahl an Civic Tech-Projekten im Listenformat auf. Partizipation ist ausdrücklich erwünscht!